Weihnachtsfahrten 22/23

Zum Elternbesuch aus Erlangen in’s Sauerland, anschließend mit dem Velomobil zum Schwiegervater nach Berchtesgaden. Das ist auch in diesem Jahr meine Weihnachts- / Neujahrsstrecke.

Die Bahn ist für mich aktuell keine Option mehr. Ich habe das Bahnchaos der letzten 10 Jahre satt. Zu hohen Preisen in übervollen Zügen zu reisen, die Anschlüsse nicht zu erreichen, die Reservierungen zu verlieren? Am Bahnhof oder sogar im Zug zu frieren? Nein danke! Vor dem Hintergrund zuletzt nur noch 60%-iger Pünktlichkeit mag ich mir das nicht mehr zumuten.

Zur erfolgreichen Förderung der Automobilindustrie scheint in Deutschland auch zu gehören, Alternativen möglichst unbrauchbar zu machen.

Auf der Fahrt in’s Sauerland nehme ich meine Primatendose, die ich per Blablacar mit einem studierenden Mitfahrer besetzten kann. Während der Fahrt entspinnt sich ein interessantes Gespräch, das die Fahrt massiv verkürzt.

Für die Rückfahrt finde ich keine Mitfahrenden. – Der Versuch, meinen ökologischen Fußabdruck etwas zu reduzieren, ist nur teilweise geglückt.

Die Fahrt von Erlangen will ich bei trockener aber kalter Witterung mit dem Velomobil zurücklegen.

In nicht gerade gutem Trainingszustand die 360 km und 1900 Höhenmetern, bei kalter Witterung und lang anhaltender Dunkelheit an einem Tag zurückzulegen, ist neu für mich. Was im Sommer, oft praktiziert, kein Problem darstellt und Freude bereitet, ist im Winter eine Herausforderung.

Der Streckenverlauf

Meine Packliste passe ich geringfügig an. Ich nehme sicherheitshalber eine Isomatte, den Biwaksack und den Winterschlafsack mit, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich die Strecke an einem Tag schaffen werde. Außerdem benötige ich einen zweiten Licht-Akku, denn der längste Teil der Fahrt wird im Dunkeln stattfinden.

Falls ich es nicht durchgehend fahrend schaffe, würde ich einfach etwas entfernt von der Straße biwakieren.

Biwaksack und Schlafsack

Um 5:30 Uhr fahre ich in Erlangen los. Ich möchte Nürnberg auf kürzestem Weg außerhalb der Stoßzeiten durchfahren.

Ausfahrt aus Nürnberg

Dabei ist der Streckenverlauf so,  dass ich mit Straßenbahnschienen konfrontiert werde. Diese können nicht bzw. nur in stumpfem Winkel überfahren werden, sonst werden meine schmalen Reifen von den Schienen gefangen. Bei geringem Verkehrsaufkommen ist das kein Problem, im morgendlichen Berufsverkehr ein Drama.

Nach ca. drei Stunden frühstücke ich in Berching, wie immer, auf der Strecke.

Frühstück in Berching

Alles verläuft planmäßig, auch wenn im Winter aufgrund des höheren Systemgewichts und der Kälte der Energieaufwand deutlich steigt.

Dennoch zehrt die Kälte, lässt Füße, Hände und Gesicht erkalten. Krampfhaft stelle mir vor, dass dies besser sei, als große Hitze im Sommer. Mit warmer Musik von Radio Paradise aus dem sonnigen Kalifornien, lenke ich mich ab. Auch stelle ich mir nach 210 km beim ersten Anblick der Alpen vor, das Schlimmste hinter mir zu haben. Alles Tricks, den inneren Schweinehund im Zaume zu halten. – Allerdings mit nur mäßigem Erfolg!

150km sind geschafft
Die Alpen im Hintergrund

In Ampfing fülle ich an der Tankstelle meine Vorräte auf. Die weitere Fahrt auf der St2550 nach Mühldorf am Inn ist bei Dunkelheit, Kälte, bis 70km/h und  Blendung in starkem Berufsverkehr eine nervliche Herausforderung.

Wasser auffüllen, Riegel essen

Ich bin froh, später auf Nebenstrecken in Richtung Waging am See ausweichen zu können. Dort erwischt mich allerdings der „Mann mit dem Hammer“, dem Ausdauersportler irgendwann begegnen. Schließlich bin ich schon über 11 Stunden unterwegs.

Vor dem Endanstieg nach Berchtesgaden geht’s nochmals auf über 600m über NN. und wieder hinab. In Dunkelheit und Kälte, ohne Ziel vor Augen, ohne aufmunternden Sonnenschein, nur auf das Navi und in den Lichtkegel schauend hilft nur Musik im Kampf gegen den inneren Schweinehund. Es ist Radfahren wie in Trance. Auch in Sommer empfinde ich dieses Teilstück als am zehrendsten.

Höhenprofil der Strecke

Während der Abfahrt erblicke ich ein einzelnes, langsam entgegenkommendes Licht! Ich traue meinen Augen nicht, als ich erkenne dass es ein Velomobil ist! Domi hat sein Versprechen wahr gemacht und kommt mir vom Live-Track geleitet entgegen! Meine Freude ist riesig! Er lotst mich durch Salzburg und begleitet mich über Marktschellenberg bis Berchtesgaden. Das versetzt meiner Motivation einen abschließenden Schub.

Nach 16 Stunden, 360km, 1900 Höhenmetern und Temperaturen um den Gefrierpunkt erreiche ich Berchtesgaden und gönne mir ein Berchtesgadener Dunkel!

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert