An einem Tag: 410 km und 2700 Höhenmeter mit dem Velomobil in’s Sauerland

In diesem Jahr fahre ich die Strecke in’s Sauerland mit dem Velomobil, Alpha 7. Seit Ende März habe ich ca. 5.500km damit zurück gelegt. Ich fühle mich einergermaßen trainiert, wenngleich mir bewusst ist, dass ich immer nur Kurzstrecken von ca. 40km gefahren bin. Letztes Jahr benötigte ich mit dem Liegerad 3 Tage für die Strecke. Schaffe ich die Distanz mit dem Velomobil an einem Tag?

Mit wenig Aufwand ist der Streckenverlauf für Velomobile auf www.//brouter.de festgelegt, exportiert und auf’s Garmin Navi geladen.

Die Strecke hat eine Länge von ca. 410km, bei einer positiven Höhendifferenz von ca. 2600hm.

Insbesondere die Höhenmeter lassen mich daran zweifeln, die Strecke an einem einzigen Tag zu bewältigen. Sicherheitshalber nehme ich meine Camping-Ausrüstung mit, wobei das Mehrgewicht die Chance auf eine Eintagesreise zusätzlich schmälert. Die etwa 10kg Zusatzgewicht sind in der Ebene unproblematisch, aber am Berg bremst jedes Kilogramm!

Um 6:15 Uhr starte ich in Erlangen. Zunächst auf bekannter Strecke, geht es gen Bamberg. Die Straßen sind noch leer und ich komme rasch voran. Meine Leistung begrenze ich auf 150Watt um auch am Ende der Tour genügend Reserven zu haben.

Die Haßberge sind ein erster Höhenzug, der  jedoch recht einfach zu bewältigen ist.

Ganz anders sieht es beim Überfahren der Rhön aus! Hier ist das Velomobil mit Gepäck auf mehr als 700m ü.NN zu hieven. Noch recht frisch, nach „nur“ 6 Stunden Fahrt sind genügend Reserven vorhanden. Dennoch bin ich aufgrund der großen Steigungen oben deutlich entkräftet. Ab sofort plagt mich die Sorge, wie ich gegen Ende der Tour, das Rothaargebirge schaffen soll….

Die Abfahrt ist rasant. Leider bremst der Luftwiderstand das Velomobil kaum. Die mühsam erarbeitete Lageenergie wird nutzlos von den Bremsen in Wärme umgewandelt. Ich habe noch keine Erfahrung mit „Fading“ der Bremsen und mache sicherheitshalber eine längere „Abkühlpause“, bei der ich mich nach dem Anstieg etwas körperlich erhole.

Zwischen Fulda und Alsfeld folgt ein Streckenabschnitt mit ermüdendem Auf- und Ab. Leider können die mühsam gewonnenen Höhenmeter nicht in wünschenswerter Weise für das Fortkommen genutzt werden. Stattdessen wird die Energie wieder nutzlos zum Erhitzen der Bremstrommeln verwendet.

Steile Anstiege stellen kein Problem dar! Steile Abfahrten sind es! Dort wird erzeugte Lageenergie „vernichtet“. Velomobile sind extrem effizient, wenn es darum geht, diese Energie auf flachen Bergabstrecken zu nutzen. Die Energie wird nicht vom Luftwiderstand „geraubt“, wie beim normalen Fahrrad. Auch in der Ebene oder in leicht welligem Gelände sind sie praktisch unschlagbar! Das Gebirge ist aber nicht ihre Domäne!

Ohne größere Höhendifferenzen passiere ich Marburg und Biedenkopf, allerdings ist das Verkehrsgeschehen hier aufgrund der Streckenführung und des einsetzenden Berufsverkehrs unangenehm.

Ich versäume meinen Wasservorrat aufzustocken, was sich später rächen wird.

Es beginnt der Anstieg auf das Rothaargebirge, zunächst durch das Tal der Eder. Ein erster Höhenrücken ist vor Bad Berleburg zu überfahren. Die Versorgungs-Infrastruktur wird schwächer und ein Supermarkt schließt kurz bevor ich Wasser kaufen kann.

Ab Bad Berlegburg nimmt die Steigung auf das Rothaargebirge kontinuierlich zu. Mein Navi routet mich auf einen Weg, der mir in der Dunkelheit unfahrbar erscheint. Ich entscheide mich, auf der Staatsstraße zum Rhein-Weser-Turm zu verbleiben, abseits der geplanten Strecke.

Mühsam quäle ich mich Höhenmeter für Höhenmeter das Gebirge hinauf. Mehr als 15 Stunden bin ich unterwegs. Meine Wasservorräte sind völlig aufgebraucht und ich kann mir nicht Schöneres vorstellen, als einen Schluck kühlenden Wassers!

Kein Auto! Kein Mensch! Absolute Stille, durchbrochen durch das Kurbelgeräusch meiner Maschine. Nur ein heller, gebündelter Lichtstrahl weist den Weg. Rehwild passiert die Straße und äugt mich an, ohne zu erschrecken. Ich bin völlig am Ende und kämpfe mit der Entscheidung durchzufahren oder das Zelt aufzuschlagen. Wie in Trance fahre ich weiter, das Gerödel des Zeltaufschlagens im dunklen Nass scheuend.

Endlich zeigt mein Navi an, dass der höchste Punkt der Strecke erreicht ist. Es beginnt eine rasante Abfahrt im Dunkeln, bei der ich neben überhitzenden Bremsen auch einen Wildunfall vermeiden muss. Mit 70km/h in ein Reh zu fahren ist mit dem Velomobil erst recht gefährlich.

Immerhin geht es kontinuierlich bergab. Erst in Lennestadt treffe ich wieder auf Menschen und einen türkischen Imbiss. Ich kaufe gleich 2 Liter Wasser. 2 Cola stürze ich sofort in meinen ausgedörrten, entkräfteten Körper. – Welch ein Genuss! –

Bis Plettenberg komme ich mit wenig Energieeinsatz voran. Die Trittleistung übersteigt nur selten 120 Watt.

Die Strecke von Plettenberg bis Herscheid, meinem Zieltort, ist nochmals kontinuierlich ansteigend und anstrengend. Immerhin habe ich bereits 15 Stunden Fahrt hinter mir! Nur 2 Autos überholen mich auf einer Strecke, die sonst mit LKW überfüllt ist. Zu normalen Zeiten würde ich die L561 garantiert nicht befahren!

Gegen 01:00 Uhr erreiche ich mein Ziel. Nach dem Auspacken und Verstauen des Velomobils trinke ich noch ein Bier und gehe schlafen.- Ich bin glücklich, die längste Strecke meines Lebens, an einem Tag, aus eigener Kraft,  unfallfrei bewältigt zu haben.

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