Erlangen-Köln: Mainz-Siegburg bei Bonn

Die letzte Fahrrad-Etappe verläuft von Mainz nach Siegburg bei Bonn anstatt nach Köln.

Das eigentliche Ziel im Märkischen Sauerland plante ich von Köln aus mit dem Zug nach Meinerzhagen zu erreichen. Diesen Plan verwerfe ich zugunsten einer Zugfahrt von Siegburg über Siegen nach Plettenberg und von dort weiter radelnd in das nahegelegene Herscheid.

Beim Abbauen des Zeltes zerre ich mir die Rückenmuskulatur im unteren Lendenbereich. Ich ahne, was mir dadurch in den nächsten Tagen bevorsteht!!

Die Strecke schlängelt sich linksrheinisch entlang der Bahnlinie. Rechtsrheinisch verläuft die viel befahrene Bundesstraße, die ich meide. Gut ausgebaute, zügig zu befahrende Etappen wechseln mit Strecken ab, auf denen Querrillen alle 150m die Fahrt bremsen und unnötige Kraft kosten. Auch geschotterte Streckenabschnitte finden sich gehäuft. – Für meinen Tieflieger dessen Slicks mit 8bar aufgepumpt sind, ist das kein Vergnügen! Mein lädierter Rücken schmerzt. Nicht so sehr während der normalen Fahrt, aber dann, wenn es kippelig wird oder ich meine Sitzposition ändern muss oder möchte.

Flügel einer Windkraftanlage auf einem Frachtschiff

Leider verzögert ein platter Vorderreifen zum zweiten Mal meine Fahrt. Der Ausbau des vorderen, angetriebenen Rades ist etwas frickelig, aber eingeübt. Der Rücken macht die Routinehandgriffe dennoch zu einer Tortur. Bei zukünftigen Reisen werde ich vorher anstatt des Schwalbe Pro One wieder den pannensicheren Schwalbe Durano Plus aufziehen. Die Laufeigenschaften sind allerdings schlechter.

Es gab auf dem Campingplatz nichts Essbares. Mein nüchterner Magen quält mich. Die Körperenergie ist ziemlich aufgebraucht. Ich suche erfolglos nach einem Cafe. Sonntags ist das kein Problem, aber montags sind alle Orte wie leergefegt.

An einer Durchfahrtssperre für Autos wäre ich besser abgestiegen. Ich bleibe hängen und kippe um. Bingo! Meine Rückenmuskulatur quittiert das Manöver und das anschließende Aufrichten mit heftigem Schmerz. Ich sorge mich, dass ich mein Ziel überhaupt noch erreiche.

Gegen Mittag kaufe ich in einem Supermarkt Manner-Schnitten, Erdnussriegel und kalten Dosenkaffee um mich endlich zu stärken. Auf dem Weg dorthin passiert mir ein Fahrfehler, bei dem ich bei langsamer Geschwindigkeit die Abbruchkante des Asphaltbelags hinunterrutsche und wieder umkippe. Mein Rücken erhält wieder einen „Treffer“!

Die Fahrt durch Koblenz empfinde ich als grauenvoll und belastend, – besonders wegen meiner Rückenprobleme – . Die Durchfahrt habe ich daheim nicht ausreichend geplant und Schwierigkeiten eine liegeradtaugliche Durchfahrt zu finden. Im Gegensatz zur entspannten Fahrt durch Frankfurt setzt mir der Verkehr massiv zu. Die fehlende Übersicht aus der tiefen Sitzposition und die bei beladenem Rad viel zu großen fahrbare Mindestkurvenradien erwischen mich kalt! Ein drittes Mal kippe ich um und verliere mein Navi. Ich bermerke den Verlust schnell und es liegt glücklicherweise noch dort auf dem Asphalt.

Das Gepäck im Heckkoffer liegt relativ zu meinem Körperschwerpunkt recht hoch. Das Kippen des Rades kann bei geringer Geschwindigkeit oft nur mit hohem Krafteinsatz ausgeglichen werden, da die Hebelverhältnisse der Kräfte ungünstig sind. – Bei ohnehin schon gezerrter Rückenmuskulatur ein schmerzhaftes Unterfangen! – Das Aufrichten aus der tiefen Sitzposition verursacht Rückenschmerzen, jeder Positionswechsel oder das Aufstehen um den benachbarten Verkehr zu beobachten ebenfalls. Meine Reise ist an dieser Stelle kein Vergnügen sondern pure Qual!

Aufgrund der Umstände passiere ich das „Deutsche Eck“ ohne Foto oder Besichtigung. Das Bildmaterial ist ab sofort spärlich, weil jedes Aufrichten Schmerzen bereitet!

Nachmittags verdunkelt sich die Wolkendecke. Das Regenradar zeigt ein aufkommendes, größeres Regengebiet. Da Tieflieger bei Regen wahre Dreckschleudern sind, suche ich mit OSMand nach einem nahegelegenen Campingplatz, den ich in Andernach ausmache. Mit erhöhtem Tempo fahre ich in ausschließlichem Vertrauen auf das Navi dorthin.

Hätte ich nicht blind auf mein Navi vertraut, wären mir vermutlich etliche Höhenmeter erspart geblieben! Das Navi führt mich kreuz und quer durch Andernach, bergauf und bergab. Das alles, vermutlich nur um mich von ein paar Metern auf der Bundesstraße abzuhalten. Navigationssysteme sind gut und schön, aber wie die Straßen mit Attributen versehen sind und die Navigation erfolgt, erschließt sich mir manchmal nicht wirklich. – Deswegen sollte man sein Gehirn und seinen Verstand weiter nutzen! Wie heißt es so schön? Was man nicht im Kopf hat muss man in den Beinen haben.

Reichlich erschöpft komme ich auf dem Campingplatz in der Nähe von Andernach an. Trotzdem bin ich froh eine Bleibe gefunden zu haben. Wie am Vortag, gibt es nichts mehr zu essen und ich ernähre mich von den restlichen Erdnussriegeln und verbliebenen Manner-Schnitten. Immerhin konnte ich an der Rezeption wenigstens drei kleine Flaschen Bier ergattern.

Das Aufbauen und das Einrichten des Zeltes erfolgt unter Schmerzen kombiniert mit Hunger.

Ein Lieferando Fahrzeug sucht nach seinem Kunden, der offensichtlich auf dem Campingplatz eine Pizza bestellt hat. Er dreht mehrere Runden, ist aber erfolglos. Ich bemerke dies und spreche den Fahrer an, dass ich notfalls die Pizza kaufen würde. (Schließlich ist mein Hunger groß!) Der Fahrer bittet mich jedoch, die Nummer des Kunden, eine ausländische Nummer, anzurufen, um den Sachverhalt abzuklären. Mein Anstand gebietet, dass ich seinem Wunsch entspreche, ungeachtet der eventuell entstehenden Kosten. Ich sorge dafür, dass Lieferando-Fahrer und Kunde zusammen kommen.

Mein Zeltnachbar, ein junger Schweizer, bekommt eine leckere Pizza, deren Duft zu mir herüber weht. Immerhin bedankt er sich, allerdings nicht mit einem Pizzastück. Ob er mir etwas abgegeben hätte, wenn er gewusst hätte wie hungrig ich bin?

Ich schlafe sehr unruhig, unter Schmerzen. Mein Etappenziel, Siegburg, habe ich nicht erreicht und ich fürchte es auch nicht mehr zu erreichen, weil mein Rücken nicht mitspielt. Wie soll ich mein Gepäck am Bahnhof in den Zug bekommen? Spätestens dann muss ich schwer schleppen!

Der Regen, vor dem ich kopflos, fast panisch geflüchtet bin, bleibt aus.

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