Oder: Eisenhüttenstadt. – Versüßte Plackerei –

Endlich hat die Monotonie ein Ende! Erste Anlagen des Hafens werden sichtbar und Industrielärm durchdringt die Stille.

Direkt am Eingang zu Eisenhüttenstadt befinden sich Veraldeanlagen für Koks, Kalk und Eisenerz. Halden türmen sich auf, Förderbänder und Greifer bewegen sich wie von Geisterhand bewegt. Ich zähle insgesamt 5 Hochöfen, die am südlichen Kanal des Ufers aufgebaut sind. Weitere Industrieanlagen, aber auch Wohngebäude und Parkanlagen folgen, bis wir die Schleuse Eisenhüttenstadt erreichen.

Nach kurzer Zeit, noch bevor wir uns selbst orientieren können, kommt der Schleusenwärter zu uns. Er berichtet, dass auf der Oder der Schiffsverkehr eingestellt sei und fragt nach dem Tiefgang unseres Kanadiers. Er versucht uns ernsthaft davon zu überzeugen, dass der Pegel unterhalb so niedrig sei, dass auch wir nicht mehr auf der Oder fahren können.
Nach unseren Erfahrungen des letzten Jahres auf der Elbe kann das aber unmöglich sein. Wir erklären ihm, dass wir die Befahrung der ODer auf jeden Fall ausprobieren wollen und notfalls auf unsere Fahrräder umsatteln. Ich habe den Eindruck, dass sein Hinweis ein Ablenkungsmanöver ist, denn er möchte uns aus berechtigtem Grund nicht schleusen:

Die Schleuse Eisenhüttenstadt ist eine Doppelschleuse, bei der die 2. Kammer zur Wassereinsparung einen Teil des abzulassenden Wassers aus der 1. Schleuse aufnimmt. Diese ist jedoch im Bau und somit außer Funktion. Des weiteren beträgt die Hubhöhe 14m und die Schleuse selbst ist 130m lang. Das abgelassene Wasser müsste nach der Schleusung mit Kreiselpumpen energieaufwändig wieder in den Spree-Oder-Kanal gepumpt werden. – Ein enormer Ressourceneinsatz, nur um einen kleinen Faltkanadier abzulassen! Das „Mitschleusen“ mit einem großen Schiff oder eine Gruppenschleusung mit anderen Wanderpaddlern, um den Energieeinsatz zu relativieren, ist wegen des ruhenden Schiffsverkehrs auf der Oder ausgeschlossen. Weitere Paddler sind weit und breit nicht sichtbar, die Massen tummeln sich in Lübbenau.

Wir beschließen, die Schleuse zu umtragen. Der Schleusenwärter ist uns behilflich und holt auch noch einen großen Wagen für den Transport. Nichtsdestotrotz sind etwa 250m zu transportieren, etliche verwinkelte Treppenstufen zu überwinden, eine stark befahrene Straße zu überqueren, ein Steilufer hinab zu steigen und an steinig, verblocktem Ufer einzuladen und einzusteigen. Neben „normalem“ Gepäck und Vorräten haben wir aber auch noch zwei Fahrräder und einen Fahrradanhänger zu transportieren. Unser hirnrissig-panischer Lebensmitteleinkauf, bei dem wir vermuteten nördlich von Beskow höre die Zivilisation auf, rächt sich!

Dennoch, die Schleuse bleibt ein einschlägiges Erlebnis, denn der hilfsbereite Schleusenwärter zeigt uns noch einen Teil der technischen Anlagen der Schleuse. Diese ist in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut, war damals die größte Anlage in Europa und die erste Schleuse, deren Kammer aus Stahlbeton gebaut und nicht gemauert wurde. Sie ist mit einem modernen Steuerstand versehen, der alte Steuerstand aus den 30er Jahren existiert aber noch! Große Zeiger-Armaturen für Spannung, Stromstärke und allerlei andere Größen sind übersichtlich auf Marmortafeln platziert. Armgroße Schalter prägen das Bild! Die Rückseite der Armaturen ist begehbar! Dort sieht man die „Arbeitstiere“ der Armaturen. Riesige Schütze, Schalter und Regler, welche die Bedienbefehle umsetzen. Ich fühle mich in Jules Vernes „20000 Meilen unter den Meeren“ versetzt, ist doch Nemos Nautilus zumindest in meiner Phantasie von ähnlicher Gestalt. – Ohne Integrierte Schaltkreise und Chips, sondern mit anschaulicher Technik. – Die Anlage ist ein echtes Schmuckstück, das auf jeden Fall einen Besuch lohnt! Der Stolz des Schleusenwärters auf „seine“ gepflegte, denkmalgeschützte Anlage ist in jedem Satz spürbar.

Von der Oder trennt uns jetzt nur noch ein Kilometer. Im alten Hafen machen wir eine kleine Rast in einem beschaulichen Restaurant an der Oder. Auch hier werden wir sehr freundlich bedient und das Essen schmeckt vorzüglich.

Nach nur wenigen weiteren Metern fahren wir in die Oder ein!

Der Industriehafen von Eisenhüttenstadt
Hochofen zur Erzeugung von Roheisen
Eisenerz
Koks
Eine der Schleusenkammern der Eisenhüttenstadter Schleuse
Durch dieses Schleusentor fuhr schon lange kein Schiff. Alles ist trocken.
Die imposante Anlage von unten

 

 

 

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